Die Gruppen besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge werden beispielhaft in Art. 21 der EU-Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/E) genannt als „Personen wie Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen, ältere Menschen, Schwangere, Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern, Opfer des Menschenhandels, Personen mit schweren körperlichen Erkrankungen, Personen mit psychischen Erkrankungen und Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, wie z.B. Opfer der Verstümmelung weiblicher Genitalien.“ Diese Aufzählung ist jedoch nicht abschließend und kann z.B. LGBTIQ-Personen und andere vergleichbar schutzbedürftige Personen umfassen.
Hier folgt eine kurze Beschreibung der in der Richtlinie aufgezählten Gruppen besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge:
Personen die Folter und Gewalt erlitten haben
Die Flüchtlinge berichten, dass sie Opfer von Gewaltmaßnahmen geworden sind oder sie legen ärztliche oder sonstige Unterlagen vor, aus das hervorgeht. Viele Flüchtlinge sind auch von den Erlebnissen auf der Flucht traumatisiert. Sehr häufig fällt es Gewaltopfern schwer, über ihre Erfahrungen zu sprechen und im Detail zu schildern, was ihnen angetan wurde. Deshalb kann nur ein Teil der Betroffenen bereits im ersten Aufnahme- und Anhörungsverfahren ermittelt werden.
Menschen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben, entwickeln häufig starke psychische aber auch somatische Symptome, die unter dem medizinischen Begriff Posttraumatische Belastungsstörung bekannt sind.
Besonders schutzbedürftige Frauen
Zielgruppe sind Schwangere ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Schwangerschaft sowie Alleinerziehende mit minderjährigen Kindern. Erhöhte Vulnerabilität liegt vor im Falle der Schwangerschaft sowie der Belastung durch die alleinige Verantwortung für Kinder nach Verfolgung und Flucht.
Im körperlichen und psychischen Bereich können Stresssymptome auffallen. Bei dieser Personengruppe liegen häufig weitere Faktoren wie geschlechtsspezifische Verfolgung oder andere Formen von Gewalterfahrung vor.
Minderjährige als besonders schutzbedürftige Flüchtlinge
Zielgruppe sind Jugendliche unter 18 Jahren. Die EU-Aufnahmerichtlinie (Art. 17 Abs. 1) bezieht sich dabei sowohl auf allein reisende Minderjährige, als auch auf solche, die in Begleitung eines Sorgeberechtigten einreisen.
Für Minderjährige, die Opfer irgendeiner Form von Missbrauch, Vernachlässigung, Ausbeutung, Folter, grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gewesen sind oder unter bewaffneten Konflikten gelitten haben, sieht Art. 18 Abs. 2 der EU Aufnahmerichtlinie Rehabilitationsmaßnahmen und im Bedarfsfall eine geeignete psychologische Betreuung und eine qualifizierte Beratung vor.
Ältere Menschen als besonders schutzbedürftige Flüchtlinge
Menschen über 65 Jahren sind im Sinne der EU-Aufnahmerichtlinie als älter zu bezeichnen.
Darüber hinaus können Personen als älter gelten, die aufgrund ihres Alters und ihrer individuellen Entwicklung nur eingeschränkt in der Lage sind, die Anpassung an eine für sie fremde Kultur zu leisten, sich zu orientieren und den Erfordernissen eines Asylverfahrens nachzukommen. Als „älter“ sind auch Personen zu betrachten, die im fortgeschrittenen Alter an Krankheiten leiden, die sie in der Bewältigung des Alltages einschränken.
Behinderte Flüchtlinge als besonders Schutzbedürftige
Alle Formen von Behinderung konstituieren die Zugehörigkeit betroffener Flüchtlinge zu dieser Gruppe.
Menschen gelten als behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft dadurch beeinträchtigt ist.
Die Definition „behindert“ trifft also nicht nur auf sichtbar körperbehinderte Flüchtlinge zu, sondern u.U. auch auf Flüchtlinge mit psychischen und psychosomatischen Langzeitfolgen von langfristig wirkenden Traumata.
Ältere Menschen, die stärkere, nicht als altersentsprechend beurteilbare Bewegungs-einschränkungen, Schmerzsyndrome und über das Alterstypische wesentlich hinausgehende hirnorganische Abbauerscheinungen aufweisen, gelten ebenfalls als behindert.